Herzkatheter-Untersuchung

Bei Patienten mit angeborenen Herzfehlern wird vielfach – neben den üblichen kardiologischen Untersuchungsmethoden wie beispielsweise dem Elektrokardiogramm (EKG), der Blutdruckmessung (bei Erstuntersuchungen an Armen und Beinen zur Erkenung einer Blutdruckdifferenz) oder der Ultraschalluntersuchung (Echokardiographie) – eine invasive (in den Körper eingreifende) Methodik erforderlich, um einen Herzfehler oder eine Gefäßfehlbildung genau erkennen und beurteilen zu können.

Eine invasive Standardmethode zur Untersuchung des Herzens und der Herzgefäße ist die Herzkatheteruntersuchung. Die Ergebnisse der Herzkatheteruntersuchung und der Angiokardiographie mit ihrer detaillierten Darstellung der Blutflußverhältnisse (Hämodynamik) und der Anatomie sind die Grundlage zur Diagnosestellung und Beurteilung vieler angeborener Herzgefäßfehlbildungen. Sie bestimmen meist das therapeutische Vorgehen und den Zeitplan für einen operativen Eingriff.

Im Gießener Kinder-Herzzentrum werden durchschnittlich drei Kinder pro Tag mit einem Herzkatheter untersucht.

Untersuchungstechnik

Bei der Herzkatheterunteruchung wird unter Röntgenkontrolle eine biegsame Kunststoffsonde über eine Vene oder Arterie bis zum Herzen geschoben. Die Sonde ermöglicht Druckmessungen in den Vorhöfen, Ventrikeln und Gefäßen. So können Engstellen (Stenosen) im Bereich der Herzklappen, in den Herzhöhlen oder in den großen Gefäßen sowie Klappeninsuffizienzen erfaßt werden.

Auch kann über sie die Sauerstoffsättigung der roten Blutkörperchen (in Prozent) gemessen und Blut zur Bestimmung des Sauerstoffgehalts (in Volumen-Prozent) entnommen werden. Die Sauerstoffwerte geben Hinweise auf mögliche Herzdefekte mit Links-Rechts-Shunt (Anstieg der Sauerstoffsättigung in der rechten Herzhälfte) oder Rechts-Links-Shunt (Abnahme der Sauerstoffsättigung in der linken Herzhälfte).

Untersuchungsablauf 

Die Untersuchung wird unter Sedierung und nach Lokalanästhesie an der Einführungsstelle durchgeführt, während das Kind auf einer angewärmten Unterlage liegt. Mindestens sechs Stunden vorher bleiben die Patienten nüchtern, damit bei Bedarf eine Narkose vorgenommen werden kann. Die Herzhöhlen und die vom Herzen abgehenden Gefäße lassen sich durch vorsichtiges Vorschieben, Zurückziehen und Drehen des Kunststoffkatheters erreichen. Nach der Herzkatheter-Untersuchung wird der Patient 24 Stunden stationär beobachtet. Der Ablauf der Untersuchung und technische Details werden gespeichert und in einem Herzkatheterprotokoll dokumentiert.

Kontrastdarstellung der Gefäße

Die röntgenbildliche Darstellung der Herzhöhlen und der herznahen Gefäße im zeitlichen Verlauf (Angiokardiographie) erfolgt mittels eines Angiokardiographiekatheters, mit dem Kontrastmittel an die entsprechende Stelle injiziert wird. Während und nach der automatisierten Injektion wird ein drei bis fünf Sekunden langer Film aufgezeichnet. Das Kontrastmittel wird vollständig ueber die Nieren ausgeschieden, wobei gleichzeitig die Funktion der Nieren und Harnwege überprüft werden kann.

Auf der nebenstehenden Angiographie-Aufnahme eines sechs Monate alten Jungen sind die Lungenarterien dargestellt. Der linke Lungenflügel (im Bild rechts) ist auf Grund einer angeborenen Verengung (Stenose) der linken Lungenarterie weniger stark entwickelt als der rechte. Deutlich erkennbar ist die Glennsche Anastomose, eine operativ hergestellte direkte Verbindung von der oberen Hohlvene zum rechten Lungenarterienstamm. Beim Einkammerherzen ist dieses Vorgehen der erste Schritt zur Kreislauftrennung nach dem Fontan-Prinzip.

Indikation und Risiken

Das Risiko der invasiven Herzdiagnostik ist von der Erfahrung des Ärzteteams, von Art, Länge und Intensität der Untersuchung, von der Art der verwendeten Katheter und der verwendeten Kontrastmittel, von der Schwere des Herzfehlers und vom Alter und Zustand des Patienten anhängig. Durch technische Verbesserungen und zunehmende Erfahrung wurde es möglich, Komplikationen auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Heute werden auch Säuglinge, Neugeborene und sogar Frühgeborene mit vertretbarem Risiko untersucht. Spätreaktionen des Körpers werden durch die anschließende intensivmedizinische Überwachung erfaßt und können so unmittelbar behandelt werden.

Trotzdem bedarf eine Herzkatheteruntersuchung einer strengen Indikationsstellung. Eine routinemäßige Kontroll-Herzkatheteruntersuchung sollte es nicht geben. Die Vordiagnose mittels nichtinvasiver Methoden ist obligatorisch: EKG-Verlauf, Befunde des Langzeit-EKG (insbesondere Repolarisationsstörungen oder Rhythmusstörungen unter Belastung), Echokardiographie, Magnetresonanztomographie. Die behandelnden Aerzte muessen folgende Fragen plausibel beantworten können.

  • Welche Informationen sollen gewonnen werden?
  • Inwieweit haben diese Informationen Bedeutung für die weitere Behandlungsstrategie?
  • Ergeben sich überhaubt irgendwelche Konsequenzen aus den Katheterbefunden?
  • Gibt es alternative, nichtinvasive Untersuchungsmöglichkeiten, mit gleichem Informationsgewinn, z. B. Kernspintomographie (Magnetresonanztomographie)?
  • Ist die Nutzen-Risiko-Abwägung wirklich eindeutig, um die Untersuchung verantworten zu können?

Therapeutische Verfahren (Interventionen)

Die Weiterentwicklung der Herzkathetertechnik ermöglicht heutzutage auch die Korrektur von Herzfehlern. Dadurch lassen sich eine Reihe chirurgischer Eingriffe vermeiden. Die Katheterinterventionen können im Vergleich zum operativen Vorgehen mit deutlich geringerem Trauma und Risiko für den Patienten durchgeführt werden. Beispiele für mögliche Interventionen:

  • Eröffnung der Vorhofscheidewand (des Atriumseptums) mittels eines Ballonkatheters (Rashkind-Ballonatrioseptostomie) z.B. bei kompletter Transposition der großen Arterien (TGA)
  • Verschluß eines Vorhofseptumdefektes (ASD) mittels eines Doppelschirmchens (Amplatzer-Okkluder)
  • Verschluß eines persistierenden Ductus arteriosus (PDA)
  • Coilverschluß unerwünschter Gefäßverbindungen mittels dauerhaft eingebrachter Edelstahlspiralen, an denen Blutgerinnsel (Thromben) bilden, die das Gefäß verschließen.
  • Erweiterung (Dilatation) von Herzklappen mittels Ballonkatheter (Ballonvalvuloplastie) z.B. bei Pulmonalklappenstenose oder Aortenklappenstenose
  • Erweiterung einer Gefäßengstelle (Stenose) mittels Ballonkatheter (Ballonangioplastie)
  • Einsatz von Gefäßstützen (Stents) zur dauerhaften Eröffnung von Gefäßen